Zusätzliche Informationen
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Weiterführende Begründung zur gewählten Verfahrensart - § 14 Abs. 4 Nr. 5 VgV a. / b.: Im konkreten Verfahren geht es nicht um die Erneuerung (also den Ersatz) vorhandener Komponenten, sondern um die Erweiterung eines bestehenden Hochleistungsrechensystems. Insofern wird dieser Aspekt der teilweisen Erneuerung nicht weiter beleuchtet. Geplant ist die (teilweise) Erweiterung eines bereits gelieferten und bestehenden Systems. Es muss sich insofern um zusätzliche Leistungen des ursprünglichen Auftragnehmers handeln. Diese Beauftragung des ursprünglichen Auftragnehmers muss notwendig sein, weil ein Wechsel dazu führt, dass der Auftraggeber a. Waren mit unterschiedlichen technischen Merkmalen kaufen müsste und dies eine technische Unvereinbarkeit oder b. unverhältnismäßige technische Schwierigkeiten bei Gebrauch und Wartung mit sich bringen würde. Zu a: Bei einem durchzuführenden offenen, nicht offenen Verfahren oder Verhandlungsverfahrens steht im Raum, dass ein Angebot bezuschlagt werden müsste, welches a. „nur“ kompatible Komponenten für die notwendige Erweiterung des Rechensystems liefert und implementiert und b. Ein Angebot eines anderen Bieters, der aktuell nicht der Auftragnehmer ist, bezuschlagt werden müsste. Somit könnten Kompatibilitätsprobleme und damit verbundene Störungen beim Betrieb des Rechensystems nicht ausgeschlossen werden. Es ist nicht ausgeschlossen, sondern eher wahrscheinlich, dass diese „kompatiblen“ Komponenten im Gegensatz zu „Original“-Lenovo-Komponenten in das bestehende System nur mit technischem und finanziellem Mehraufwand implementiert werden können. Diesen Mehraufwand muss der Auftraggeber tragen, wobei die Risiken einer möglichen Inkompatibilität und deren mögliche Folgen damit nicht beseitigt sind, sondern nach wie vor im Raum stehen. Kommt es auf Grund der Inkompatibilitäten zu betriebsbehindernden oder gar betriebsverhindernden Störungen im Hochleistungsrechensystem, werden eine Vielzahl Forschungsprojekte gefährdet, die auf das Rechensystem angewiesen sind. Dies kann wiederum ggf. hohe finanzielle Auswirkungen haben, je nachdem, welche Störung wie lange vorliegt. Neben diesen technischen Störungen auf Grund von Inkompatibilitäten wurde bereits dargelegt, dass dieses Vorgehen ein erhebliches Beweis- und Prozessrisiko für den Auftraggeber darstellt. Zu b: Es mag formal möglich sein, dass mehrere Lenovo-Reseller und der Hersteller selbst die zur Erweiterung notwendigen Komponenten liefern und implementieren können. Sofern in einer solchen Ausschreibung nicht der bestehende Auftragnehmer den Zuschlag erhält, würden zwei voneinander unabhängige Auftragnehmer jeweils einen Teil des Hochleistungsrechensystems betreuen und dessen „Teil“- Betrieb verantworten. Unbeantwortet bleibt die Frage, wer letztlich den gesamten Betrieb des Hochleistungsrechensystems verantwortet. Beide Auftragnehmer werden lediglich ihren Teil des Rechensystems verantworten. Jegliche Annahme einer anderen Verantwortung ist unrealistisch und wird von beiden Auftragnehmern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit abgelehnt werden. Allein schon auf Grund möglicher bestehender Kompatibilitätsrisiken muss der Auftraggeber beweisen, welcher Teil des „gestückelten“ Gesamtsystems hier Störungen auf Grund von Kompatibilitätsproblemen verursacht hat und damit, welcher der beiden Auftragnehmer für die Störung und mögliche Schäden verantwortlich ist. Dieses Beweisrisiko und das damit ggf. verbundene Prozessrisiko muss ausschließlich der Auftraggeber tragen, was neben zeitlichen Risiken auch monetäre Risiken mit sich bringt. Darüber hinaus erklärt sich das OLG Brandenburg auch zur Thematik der Ergänzung und Erneuerung bestehender und seit Jahren erprobter und bewährter Systemarchitektur. Der Auftraggebers arbeitet mit dem Hochleistungsrechensystem seit mehreren Jahren im Echtbetrieb, welches etabliert ist. Alle Prozesse und alle anderen im Betrieb befindlichen IT-Systeme rund um das Hochleistungssystem sind entsprechend darauf ausgerichtet. Die Mitarbeiter des Auftraggebers ZIB verfügen für die vorhandenen Komponenten des Hochleistungsrechensystems über das entsprechende Know How. Bei der Beschaffungsentscheidung ist zu berücksichtigen, dass neben dem Know How der IT-Abteilung für die Betreuung und Administration des Rechensystems seit Jahren entsprechende spezielle Programme und Tools rund um die Komponenten des Hochleistungsrechensystems eingesetzt werden und durch die jahrelange Anwendung durch die IT-Administratoren des Auftraggebers beherrscht werden. Insofern ist der zu betreibende Aufwand für die Beibehaltung und technische Erweiterung des Hochleistungsrechensystems unter Beibehaltung der Nutzung der ebenfalls vorhandenen und weiterhin zu nutzenden Tools und Administrationssoftware für das Rechensystem als gering und damit überschaubar anzusehen. Das OLG Brandenburg gestattet es, dass die ausschreibende Stelle einen Mischbetrieb bei einem bestehenden IT-System nicht hinnehmen muss, nur um der Ausschreibungspflicht formal Genüge zu tun. Fehler in der Firmware der unterschiedlichen Hardware-Komponenten, potenzielle Sicherheitslücken und Schnittstellenprobleme bei unterschiedlichem Betrieb verschiedener Geräte verschiedener Hersteller: Der Betrieb von Hardwarelösungen unterschiedlicher Hersteller (sogenannte Insellösungen) im Bereich der vernetzten und, vor allem, aufeinander abgestimmten IT-Architektur des Zuse-Instituts innerhalb des Hochleistungsrechensystems birgt die Gefahr der Inkompatibilität der unterschiedlichen Systemkomponenten zueinander und innerhalb des bestehenden IT-(Gesamt) Hochleistungsrechensystems. Es bestehen weiterhin ernsthafte Bedenken, dass bei einem anzunehmenden Mischbetrieb von Hardwarelösungen unterschiedlicher Hersteller innerhalb des gesamten Hochleistungsrechensystems beim Auftraggeber Schnittstellenprobleme und ggf. Treiberprobleme auftreten können. Diese Probleme können dazu führen, dass ein ordnungsgemäßer Betrieb des Hochleistungsrechners nicht gegeben ist und damit Aufgaben zur Vorbereitung und Durchführung von Forschungsprojekten im „günstigsten“ Fall nur gestört, im ungünstigsten Fall überhaupt nicht möglich sind. Damit käme im "Worst Case" der Forschungsbetrieb des Auftraggebers, was die Nutzung des Hochleistungsrechensystems betrifft, mindestens teilweise zum Erliegen und die Forschungsaufgaben des Auftraggebers könnten nicht oder nur eingeschränkt wahrgenommen werden. Auch eine Kommunikation der Hardware-Komponenten möglicher unterschiedlicher Hersteller untereinander im vorhandenen (Gesamt-) Hochleistungsrechensystem des Zuse kann zu Inkompatibilitäten und möglichen vorgenannten Ausfällen im Betrieb und damit zu möglichen Schäden, z.B. in Form von unvollständig oder überhaupt nicht durchgeführter Datenverarbeitung / Datenübertragung bis hin zu Datenverlust und damit zur erheblichen Beeinträchtigung des Forschungsbetriebes führen. In diesen Fällen muss der Auftraggeber, wie bereits dargestellt, formaljuristisch den Beweis antreten, welche Hardwarekomponenten welches Auftragnehmers innerhalb des Gesamtsystems für die Störung und den ggf. eingetretenen Schaden verantwortlich ist. Dieses Beweis- und letztlich nicht unerhebliche Prozessrisiko trägt allein der Auftraggeber. Dieses Risiko kann dadurch minimiert werden, dass das bestehende Hochleistungsrechensystem mit weiteren Lenovo-Komponenten einerseits und durch den Bestandauftragnehmer andererseits erweitert wird. Letztlich kommt das OLG Brandenburg zur Auffassung: „Im Bereich der EDV ist es grundsätzlich gerechtfertigt, im Interesse der Systemsicherheit und -funktion das Risikopotential für Fehlfunktionen oder Kompatibilitätsprobleme zu verringern. (OLG Brandenburg)“ Im Rahmen der zu betrachtenden Interoperabilität insbesondere auf Ebene der Hardwaresysteme ist zu beachten, dass Hardwareprodukte anderer Hersteller und notwendiger Software für den Betrieb dieser Hardware nicht immer problemlos flexibel bzgl. einer Integration von Systemen Dritter sind. Es müssen Schnittstellen angepasst/ggf. neu programmiert werden, deren Funktion jedoch erst im Rahmen eines Testbetriebes geprüft und festgestellt werden kann. Damit wird wieder der personelle und wirtschaftliche Aufwand auf Seiten des Auftraggebers angesprochen, der notwendig wäre, um diese Interoperabilität weitestgehend sicherzustellen. Gleichwohl werden durch diese ggf. zu betreibenden Aufwände die bereits dargestellten Risiken eines Mischbetriebes nicht verhindert. Das OLG Celle hat in einem Verfahren (Beschluss vom 31.03.2020, 13 Verg 13/19) zwar die Richtigkeit des Nachprüfungsantrages gegen eine produktscharfe Beschaffung in zweiter Instanz bestätigt (hier: Beschaffung von Meldeempfängern), trifft aber eine grundsätzliche Aussage zur produktscharfen Beschaffung: „Die Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers für die Beschaffung eines bestimmten Produkts [oder eines bestimmten Herstellers – d. Verf.] kann insbesondere aus technischen Gründen sachlich gerechtfertigt sein, wenn dadurch im Interesse der Systemsicherheit und -funktion eine wesentliche Verringerung von Risikopotentialen (Risiko von Fehlfunktionen, Kompatibilitätsproblemen, höherem Umstellungsaufwand) bewirkt wird. Der öffentliche Auftraggeber darf in diesem Fall – insbesondere in sicherheitsrelevanten Bereichen – jedwedes Risikopotential ausschließen und den sichersten Weg wählen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13. April 2016, a.a.O. Rn. 22 ff., 26; Beschluss vom 31. Mai 2017 – VII-Verg 36/16, juris, Rn. 48, m. w. N.; Beschluss vom 16. Oktober 2019 – VII-Verg 66/18, juris, Rn. 52).“ Die Voraussetzungen für eine produktspezifische Beschaffung und für die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb liegen somit aus Sicht des Auftraggebers vor.